AStA konnte weder t noch Zahlen schreiben

Heute vor 50 Jahren führten die Studenten Gert Hinnerk Behlmer und Detlev Albers die Ordinarien der Universität Hamburg vor. Am 9. November 1967 präsentierten sie anlässlich des Rektoratswechsels den Spruch »Unter den Talaren, Muff von 1000 Jahren«. Hiermit wollten sie als Mitglieder des AStA auf die mangelnde Demokratie und weitere Missstände an der Uni aufmerksam machen. Über den Text ist viel geschrieben worden, die Zahl 1000 wird als Verweis auf Hitlers Tausendjährige Reich und die braune Vergangenheit einiger Professoren gesehen. Auch das Tuch hat seine Geschichte, es ist ein Teil des Trauerflors von der Beerdigung des im Juni 1967 ermordeten Studenten Benno Ohnesorg.

Zu der aus Heftpflaster zusammengestückelte Beschriftung hat sich bisher freilich keiner geäußert. Dieser Misstand soll nun 50 Jahre später endlich behoben werden! Weil: Wie kann es sein, dass die beiden Mitglieder der AStA es nicht vermochten, ein t hinzukriegen was aussieht wie ein Buchstabe anstatt eines Sterbekreuzes? Warum schwebt der Querstrich oberhalb der Mittellänge? Warum ist die 1 größer als die Nullen, als gäbe es Großschreibung bei Zahlen?

Vielleicht war es schlichtweg Naivität oder der studentische Zeitmangel der den beiden dazu brachte keinen sonderlichen Wert auf Gestaltung und Ausführung des Spruches zu legen? Oder lag es vielleicht daran, dass Sie der Meinung waren, dass wer intelligent genug ist, sich über ein Mangel an künstlerische Begabung hinwegsetzen kann und sich um handwerkliche Fähigkeiten nicht scheren muss?

Entspricht das nicht in etwa die Haltung der von den Studenten selbst kritisierte akademische Elite? Am Anfang war das von der Antike so hoch geschätzte Wort, die Renaissance brachte uns die Schrift von heute. Damit eröffnete sie uns den Zugang zu den Sieben Freien Kunste der Antike. Auch heute ist eine Weiterentwicklung der Wissenschaft ohne die in der Renaissance wurzelnde Schriftformen undenkbar.

Eine uneingeschränkte Teilhabe an unsere Zivilisation setzt voraus, dass wir Schrift lesen und schreiben können – sie also von Außen zu verstehen. Demnach könnte es durchaus Sinn machen, sie auch von Innen zu verstehen, also ihre Gestaltungsprinzipien zu erforschen und weiter zu entwickeln.

Foto: Staatsarchiv Hamburg

Wikipedia: Unter den Talaren – Muff von 1000 Jahren

Taz Journalist Marco Carini über die Talar-Aktion

09.11.2017

Kommentare

  • Da beim obigen Text kein Autor angegeben ist gehe ich davon aus, dass dies die offizielle Haltung der Muthesius Kunsthochschule ist. Das erschreckt mich sehr, denn ich habe eigentlich eine sehr hohe Meinung von dieser Hochschule.

    Das abgebildete Banner wird im obigen Beitrag lächerlich gemacht, weil der Text darauf nicht in einer ordentlichen Schrift gesetzt(?) ist. Als ob Lesbarkeit und Schönheit das einzige Kriterium guter Typografie wäre! Der Autor macht sich darüber lustig, dass das „t“ wie ein Kreuz ausschaut – könnte das vielleicht sogar Absicht gewesen sein? Die Buchstaben bestehen aus Heftpflaster, das Banner aus einem Teil eines Trauerflors – so viele Metaebenen! Beachtlich, wenn man bedenkt, dass dies das Werk von typografischen Laien ist.

    War der Beitrag also nur Satire? Von einer Kunsthochschule würde ich aber lieber erwarten, dass diese den Studenten und Interessenten kein falsches Design-Bild vermittelt (à la „Designer hübschen Werbung auf und haben hierzu Zugriff auf professionellere Schriftarten“).

    Schon David Carson forderte: »Verwechseln Sie Lesbarkeit nicht mit Kommunikation. Nur weil etwas lesbar ist, bedeutet es nicht, dass es kommuniziert und, noch wichtiger, dass es das Richtige kommuniziert.«

    Die Aktion der AStA ist kein Beispiel wohlgefälliger Typografie – wollte es auch nie sein. Selbst wenn: Typografie ist kein Selbstzweck! Dieses Banner wollte etwas bewegen und hat das extrem erfolgreich geschafft. Dieses Banner sollte ein Anschlag gegen bestimmte Leute sein. Offensichtlich wirkt das auch 50 Jahre später noch.

    • Lieber Michael,

      der Text geht ausschließlich auf meine Kappe. Wäre es die Meinung der Muthesius Kunsthochschule, dann müsste im Zweifelsfall unser Senat darüber abstimmen. Abgesehen davon, dass dies zu eine sicherlich interessante Diskussion über das Selbstverständnis der Kunsthochschule und ihr Verhältnis zu den Angewandten Kunsten führen könnte, wäre es etwas übertrieben, sowas fundamentales an einer solchen Entscheidung aufzuhängen, denke ich.

      Was David Carson angeht: Er sprach von »legibility«. Die Übersetzung ins Deutsche lautet »Leserlichkeit«.

      Albert-Jan Pool

  • Danke für den obigen Kommentar!
    Wer in solch einer Weise versucht dieses politisches Banner lächerlich zu machen, macht sich selbst lächerlich, denn er hat die Bedeutung der damaligen Aktion nicht im Astatz verstanden. Ich hoffe wirklich, dass es sich hierbei um Satire handelt.

  • Hallo Adrian,

    natürlich handelt es sich hierbei in erster Linie um Satire. Vielleicht geht das aus dem zweiten Teil meines Betrags nicht deutlich genug hervor?

    Albert-Jan Pool

Kommunikationsdesign

Ziel des Studiums ist die Qualifizierung von Designerinnen und Designern für die Aufgabenfelder der Visuellen Kommunikation in der modernen Gesellschaft. Dabei spannt sich der Bogen der Ausbildung an einer Kunsthochschule zwischen »freier« ästhetischer Innovation und »harter« Praxis gesellschaftlicher Kommunikation in Wirtschaft und Kultur. Die Ausbildung im Kommunikationsdesign umfasst neben dem Erwerb technischer und gestalterischer Fähigkeiten in den klassischen Bereichen der Printmedien, des Ausstellungsdesigns und der Fotografie auch den Umgang mit digitalen Medien in allen Bereichen. Die praktische Arbeit wird ergänzt durch die systematische Ausbildung in begleitenden Theoriefächern zur Kunst- und Designgeschichte, Kunstsoziologie und Wahrnehmungspsychologie, Marketing und allgemeiner Ästhetik. Hinzu kommt die Ausbildung im Umgang mit künstlerischer und praktischer Sprache im Bereich der verbalen Kommunikation.

Ziel des Studiums ist zudem, in einer immer komplexeren und dynamischeren Welt des Kommunikationsdesigns, ihr durch eine gleichermaßen künstlerisch-innovative, handwerklich-technisch anspruchsvolle und berufspraktische Ausbildung gerecht zu werden.
Die zunehmend größere Bedeutung visueller Kommunikation in der modernen Gesellschaft erfordert schließlich, dass überkommene Traditionen des Fachs einer permanenten kritischen Reflexion unterzogen werden ; d. h. die neuen Berufsbilder im Design erfordern eine gleichermaßen intuitiv-gestalterische wie distanziert reflektierende gestalterische Praxis, die im Studium in Seminaren, Übungen, Projekten und Praktika innerhalb und außerhalb der Kunsthochschule erlernt werden soll.

Mit dieser Zielsetzung und einem entsprechenden Ausbildungsprogramm bietet der Studiengang Kommunikationsdesign die Basis für das spätere Wirken im Beruf.

Lehrende

PROF. OSWALD EGGER
Sprache und Gestalt

PROF. ANDRÉ HEERS
Kommunikationsdesign / Typografie und Gestaltung

PROF.IN CHRISTINE ERHARD
Fotografie

PROF. MARKUS HUBER
Illustration

PROF.IN ANNETTE E. leFORT
Kommuniktionsdesign / Typografie und Buchgestaltung

Die Lehrgebiete Interaktive Medien bei PROF. TOM DUSCHER und Film/Time-based Media bei  PROF. STEPHAN SACHS sind interdisziplinär und dem Zentrum für Medien zugeordnet. Beide Lehrgebiete bieten einen Masterschwerpunkt an.

Abschlüsse

Bachelor of Arts (B. A.) (ab dem WS21/22 voraussichtlich 8 Semester)
Master of Arts (M. A.) (4 Semester)

in den Schwerpunkten :
Editorial Design/Typografie
Editorial Design/Fotografie
Interaktives Informationsdesign
Konzeption & Entwurf/Strategische Kommunikation
Illustration
Sprache und Gestalt

Promotion